In den Schuhen, die Du mir geschenkt hast

Heute, am 28.10.16, wäre meine Mutter 66 Jahre alt geworden. Leider ist sie am 24.10.2013, knapp vor ihrem 63. Geburtstag gestorben. Am 28.10.13 habe ich sie, mit einem Strauß Blumen in ihrer Lieblingsfarbe, noch einmal im Aufbahrungsraum des Krankenhauses besucht, um mich von ihr zu verabschieden und ihr noch ein letztes Mal zum Geburtstag zu gratulieren.

Einige hatten mir damals abgeraten, das zu tun, aber ich tat es trotzdem, und es war gut so. Sie noch ein letztes Mal zu sehen, in dem Kleid, das ich für die Beerdigung für sie ausgewählt hatte, ihren letztendlich friedlichen Gesichtsausdruck zu sehen und ihr noch ein letztes Mal zum Geburtstag gratulieren zu können, hat mich unglaublich getröstet und mir ein bisschen Seelenfrieden geschenkt. In dem Moment beschloss ich auch, „In den Schuhen, die Du mir geschenkt hast“ zu schreiben. Für mich, für sie und vor allem für all die anderen Betroffenen und Verwandten von Betroffenen. Damit sie verstehen, dass sie damit nicht alleine sind, dass es wahrscheinlich ganz viele auf der Welt gibt, die genau dasselbe wie sie durchmachen und empfinden. Es wurde daraus ein Roman in Tagebuchform, eine Lebensaufarbeitung in Rückblenden, der Versuch eines Verarbeitens und Umgehenkönnen mit einer chronischen Krankheit aus der Sicht einer Angehörigen, einer Tochter, deren Leben von dieser Krankheit ihrer Mutter geprägt wurde.

Meine Mutter litt den größten Teil ihres Lebens an Morbus Chron, einer chronische Darmerkrankung, die den Alltag des Betroffenen sehr dominiert und einschränkt. Ein „normales“ Leben ist nur mehr bedingt möglich, man lernt aber nach und nach, damit umzugehen. Als Erkrankter und auch als Angehöriger.

Womit man allerdings als Angehöriger nie richtig umgehen kann, ist die Hilflosigkeit, zu der man verurteilt ist, wenn der Betroffene wieder einen seiner Schübe hat, der oft so schlimm ist, dass er ihn wochen- oder monatelang ans Bett fesselt. Während dieser Schübe war meine Mutter dem Tod oft näher als dem Leben. Schon ihr erster Schub, als ich selbst gerade erst drei Jahre alt war, hätte fast tödlich geendet, vor allem auch deshalb, weil die Ärzte damals noch gar nicht wussten, woran sie wirklich erkrankt war.

Diese ständige Angst, seine Mutter verlieren zu müssen, war für mich als Kind und dann später auch als Erwachsene immer der Aspekt, mit dem man am schwersten zurechtkommt. Und dass der Tod wegen dieser Krankheit ein ständiger Begleiter in seinem Leben und das der Familie wird, prägt. Angstzustände und Panikattacken sind die Folge, und dass der Betroffene selbst während seiner Schübe meist an Depressionen leidet, belastet das Zusammenleben.

Auch für meine Großmutter war es nicht leicht, ihre Tochter leiden zu sehen, wahrscheinlich war es für sie noch viel schlimmer als für mich, da sie sich auch ständig Vorwürfe machte und fragte, ob sie irgendetwas falsch gemacht hatte als Mutter, ob sie dafür mitverantwortlich gewesen war, dass diese Krankheit bei meiner Mutter ausbrach. Und obwohl ihr die Ärzte tausendfach versichert hatten, dass dem nicht so war, hatte sie damit zeit ihres Lebens nie aufgehört.

Trotzdem hatten wir viele großartige Jahre miteinander. Wir sind beide sehr reiselustig und waren viel unterwegs. Schon seit meiner frühesten Kindheit. Wir lieben beide das Meer und waren deshalb oft im Süden, unternahmen aber auch zahlreiche Städtereisen miteinander. So viele schöne Erinnerungen davon sind in meinem Kopf gespeichert, so viele fröhliche, farbenfrohe Bilder, die niemand jemals auslöschen kann, und es sind genau die, die über ihren Tod hinaus weiterleben, die, die man aufbewahren möchte für die Ewigkeit.

Wir hatten viele gemeinsame Interessen, meine Mutter und ich, besonders gerne sind wir miteinander in den verschiedensten Städten Europas einkaufsbummeln gegangen und haben jedesmal wunderschöne „Schätze“ mit nach Hause nach Wien gebracht. Die einzige Leidenschaft, die wir nicht miteinander teilten, war meine Leidenschaft für Schuhe. Trotzdem schenkte sie mir zu fast allen Anlässen wie Geburtstag oder Weihnachten ein neues Paar, weil sie wusste, wie sehr ich mich darüber freuen würde.

Eines meiner Lieblingspaare, das sie mir ein paar Jahre vor ihrem Tod schenkte, habe ich einem lieben Freund von mir anvertraut, einem sehr talentierten Hobbyfotographen, mit der Bitte, er möge doch ein schönes Foto für das Cover meines Romans machen. Er hat mir diesen Wunsch erfüllt und ist damit auf einen Friedhof in Niederösterreich gegangen. Ich glaube, das war auch für ihn ein Erlebnis, das er so bald nicht vergessen wird. Die Ergebnisse sind beeindruckend und können sich sehen lassen!

Heute wäre meine Mutter 66 Jahre alt geworden, heute vor 3 Jahren habe ich ihr zu diesem Anlass Blumen in ihrer Lieblingsfarbe in den Sarg gelegt und mich von ihr verabschiedet. Ruhe in Frieden, Mama, ich werde Dich niemals vergessen und immer vermissen! ❤

cover-indenschuhen

2014-02-16-018-1s

2014-02-16-045-1s

2014-02-16-081-1s

2014-02-16-086-1-s

2014-02-16-104-1s

2014-02-16-127-1s

2014-02-16-145-1s

Hinterlasse einen Kommentar